Alternativen

Jörg Lange, Freiburg

Die „Realpolitik“ Stadttunnel – lokal weniger Lärm und Abgase – ist (noch) mehrheitsfähig, aber ist sie auch zukunftsfähig?

Wenn zukünftigen Generationen eine lebenswerte Umwelt hinterlassen werden soll, müssen die Herausforderungen einer klimafreundlicheren Lebenswelt ernst genommen und Mobilität neu gedacht und gelebt werden.

Enkeltauglicher leben bedeutet, regionaler, lokaler und gemeinschaftlicher zu werden: Autos kann man teilen, Nahrung zu Fuß im Quartiersladen nebenan statt im Discounter mit dem Auto einkaufen.

Weniger eigene Autos sind mehr… so könnte das Motto einer neuen Strategie für die Mobilität von Morgen lauten. Denn weniger eigene Autos bedeuten mehr Freiraum für Bewegung auf dem Fahrrad und zu Fuß und mehr Lebensqualität für alle.

Bessere Informationen über Mitfahrangebote, Umstieg auf andere Verkehrsmittel oder die Nutzung von Carsharing-Angeboten erzeugen höhere Auslastungsquoten. Sie bedeuten Einsparungen bei der Produktion, dem Transport, beim Parkraum und mehr Platz für alle. Die Verkehrsstärke (KfZ/Tag) auf einer Straße nimmt ab.

Bereits eine Verdopplung des Besetzungsgrades von derzeit 1,5 auf z.B. 3 Personen pro Fahrzeug bedeuten entsprechend weniger PkW/Tag und Straße und damit weniger Kosten, Abgase und Lärm aber mehr Lebensqualität.

Neue Technologien, die das Auffinden der verschiedenen Möglichkeiten von A nach B zu kommen (Intermodalität) unterstützen, werden auch Änderungen des eigenen Verhaltens erleichtern.

Ein Blick in die Zukunft

Im Straßenraum 2040 überwiegen Fußgänger- und RadfahrerInnen und ein öffentlicher leiser Verkehr. Es entsteht mehr Raum für Bäume, Sitzgelegenheiten u.a., weil es in den Straßen der meisten Städte kaum mehr Dauerstellplätze für Personenkraftwagen gibt. Der motorisierte Individualverkehr spielt nur noch eine untergeordnete Rolle. Transportdienste werden überwiegend von elektrisch unterstützten Lastenfahrrädern erledigt. Sie bringen Güter aller Art von zentralen Ladehöfen, die über das modernisierte Schienennetz von Bahn und Straßenbahn über halbautonome flexibel einsetzbare Schienenfahrzeuge beliefert werden. Die Zahl privater Autos geht stark zurück. Wer ein Teilfahrzeug braucht, der läuft zur nächsten Quartiersgarage. Vor dieser steht schon das richtige Fahrzeug aufgetankt und abfahrbereit. Es hat den Weg aus der Quartiersgarage autonom gefunden und wird mit Wasserstoff betrieben. Über die effizienteste Route fügt sich das Fahrzeug auf den stark zurück gebauten Fernstraßen in den Verkehrsfluss so ein, dass möglichst wenig Energie benötigt wird. Es nutzt den Windschatten anderer Fahrzeuge und Staus gehören durch weniger Unfälle und koordiniertes Anfahren und Bremsen der Vergangenheit an. Am Zielort angekommen kann man entscheiden, ob man mit dem gleichen Fahrzeug auch zurück möchte oder das Fahrzeug frei gibt und die Rückreise zum Beispiel mit der Bahn antritt.

Auch der ländliche Raum ist über flexible Fahrzeuge und mit vielen Halten auf Abruf deutlich besser als heute mit öffentlichem Verkehr versorgt.

Viele Wege spart eine Neuorganisation der Arbeitswelt ganz ein. Pendlerströme werden kleiner, unter anderem, weil flexible Arbeitszeiten, der Teilarbeitsplatz von zuhause und Videokonferenzen für viele zum Alltag geworden sind. Inzwischen kommt man je nach Region nur noch auf 50-150 KfZ pro 1000 Einwohner.

Da die Menschen aufgrund der kurzen Wege deutlich mehr zu Fuß gehen, nehmen Zivilisationskrankheiten wie Herzkreislauferkrankungen, Fettleibigkeit oder Asthma deutlich ab.

Zugegeben, der Weg dort hin wird nicht einfach, aber für unsere Kinder und Enkel ist er vermutlich, wie es die Bundeskanzlerin formulieren würde, alternativlos? Die Kunst wird darin bestehen, den Weg in eine lebenswertere Mobilität konsequent mit Leben zu füllen und Schritt für Schritt umzusetzen.

Konzepte und Ideen, um alte Strategien wie einen Autobahntunnel überflüssig zu machen, sind schon heute reichlich vorhanden, wie z.B.:

  • Autoteilen und Mitfahren – Nutzen statt Besitzen
  • Mehr Bewegung per Fahrrad und zu Fuß
  • Elektromobilität
  • Autonome Fahrzeuge
  • Von der Straße auf die Schiene
  • Stadtumbau der kurzen Wege und der Quartiersgaragen
  • Umstieg auf den öffentlichen Verkehr
  • Stärkere Vernetzung aller Verkehrsarten

Die Schritte im Einzelnen:

Autoteilen und Mitfahren – Nutzen statt Besitzen

Zu den klassischen Formen des privaten Autoteilens gehört z.B. die Mitnahme von ArbeitskollegInnen zur Arbeitsstelle. Zu den Klassikern des gewerblichen Autoteilens gehört das ständig wachsende Carsharing Angebot. Inzwischen haben sich viele weitere private oder auch kommerzielle Angebote der Mitnahme in privaten PKWs etabliert. Die Übergänge von der entgeltlosen Mitnahme über das http://www.cartogo.net/ Car to go bis zu dem Taxi ähnlichen oder identischen kommerziellen Dienstleistung sind fließend geworden. Viele rechtliche und technische Fragen stehen noch am Anfang. Grundlage von vielen Angeboten des Adhoc-Mitfahrens sind jedoch die „Apps“ auf internetfähigen Endgeräten. Erst sie ermöglichen die vergleichsweise unkomplizierte Verbindung von Fahrern und Mitfahrern mit dem gleichen Ziel.

Die Zukunft wird darin liegen, alle Möglichkeiten von A nach B zu kommen über eine App einfach verfügbar zu machen.

In welchem Ausmaß das Autoteilen zu einer Reduktion des motorisierten Individualverkehrs und damit zu niedrigeren Verkehrsstärken (Kfz/Tag) führen, bleibt abzuwarten. Die Chancen bei den unter 40-jährigen stehen gut, sich mit diesen neuen Möglichkeiten der Mobilität vertraut zu machen, da bei Ihnen die Zahl der KfZ pro 1000 Einwohner bereits heute sinkt. Ziel muss aber auch sein, die älteren Generationen an die neuen Möglichkeiten heranzuführen.

Mehr Bewegung per Fahrrad und zu Fuß

Was man tun muss, um das Radfahren attraktiv zu machen, zeigt die Stadt Kopenhagen seit Jahren. Im Zentrum steht ein gut ausgebautes Radwegenetz innerhalb einer Region. Infos zu den Maßnahmen in Kopenhagen finden sich z.B. hier.

Auch Freiburg hat ein Radverkehrskonzept 2020. Dort finden sich eine Vielzahl von Maßnahmen, die zum allergrößten Teil aber noch auf ihre Umsetzung warten.

Seit mehr als 30 Jahren setzt sich der Fachverband Fußverkehr Deutschland FUSS e.V. für die Belange der Fußgänger ein. Der Fuss e.V. arbeitet derzeit an einem Handlungsleitfaden für Fußverkehrsstrategien (FVS).

Elektromobilität

Wir haben in vielen Bereichen längst Elektromobilität. Der Schienengebundene Verkehr ist bereits überwiegend elektromobil. Wenn aber von der Zukunft der Elektromobilität die Rede ist, geht es in den meisten Diskussionen um den motorisierten Individualverkehr (MIV) oder kurz um die Einführung des Elektroautos.

Die Vorteile des Elektroautos sind schnell aufgezählt: Leiser bis 30 km/h (bei höheren Geschwindigkeiten überwiegen Abwind- und Rollgeräusche), lokal emissionsfrei, höhere Effizienz des Elektromotors gegenüber Verbrennungsmotor.

Keine oder wenig Veränderung dagegen bringt das Elektroauto beim Flächenverbrauch.

Die Nachteile werden selten genau beleuchtet: Entweder kurze Reichweiten oder enormes Gewicht mit ultralangen Ladezeiten. Eine neue Ladeinfrastruktur mit ungeheuren Anschlussleistungen (120 kW beim Teslar) muss europaweit erst noch aufgebaut werden. Was passiert z.B., wenn das Elektroauto auf der Autobahn im Stau über viele km nur im Stopp & Go voran kommt, die Klimaanlage und das Radio laufen und der Akku schließlich leer ist?

Und dann nicht zu vergessen, der hohe kumulierte Energieaufwand.

Als kumulierter Energieaufwand (KEA) bezeichnet man „die Gesamtheit des primärenergetisch bewerteten Aufwands an, der im Zusammenhang mit der Herstellung, Nutzung und Beseitigung eines ökonomischen Guts (Produkt oder Dienstleistung) entsteht bzw. diesem ursächlich zugewiesen werden kann.“

Die KEA-Bilanz eines Elektroautos hängt von vielen Faktoren ab: Gewicht, Reichweite, Konstruktion (Graue Energie), Nebenaggregate wie z.B. Klimaanlage etc.. In eine solche Bilanz gehen das Schürfen der seltenen Erden in China über die Batterieproduktion, die Produktion des Fahrzeugs und die Fahrzeugemissionen, die während der Fahrt entstehen, sowie das Recycling ein.

Das aktuelle Ergebnis ist, dass die meisten derzeit in Deutschland in Serie hergestellten Elektroautos keine bessere Gesamtbilanz als herkömmliche Autos haben.

Allein der kumulierte Energieaufwand der Produktion eines PKWs entspricht einer Fahrleistung von bis zu 70.000 km bei 6 Liter /100 km (vgl. IFEU 2014, Abb. 8, S 23).

Und auch bezüglich der regenerativen Herkunft des Stroms gibt es ganz unabhängig von der Elektromobilität noch viel zu tun. Beispiel: Baden-Württemberg erzeugte 2014 nur etwa 79 Prozent des eigenen Bedarfs selbst und der Strom stammte zu mehr als 70 Prozent aus Kohle & Atom (> 70 Prozent). Wenn, wie geplant, bis 2022 die Atomkraftwerke abgestellt werden, so wird aller Voraussicht nach der hohe Atomstromanteil weitgehend durch Kohlestrom ersetzt. Erneuerbare Anteile bei der Stromerzeugung von z.B. mehr als 50 Prozent im Autoland Baden-Württemberg sind derzeit nicht absehbar. Nicht nur deshalb wird sich an der Gesamtbilanz von Elektroautos als gleichwertiger Ersatz zum herkömmlichen Dieselfahrzeug auch auf längere Sicht wenig ändern lassen.

Es gibt natürlich Ausnahmen, die aber eher an größere Lastenfahrräder erinnern, als an Autos mit dem z.B. heute eine vierköpfige Familie aus Norddeutschland in den Winterurlaub nach Bayern fährt. Als Stellvertreter für viele innovative Ideen sei an dieser Stelle auf das Beispiel Sunnyclist aufmerksam gemacht, ein Elektro-Pedal-Solar-Fahrzeug, das mit einem 6 kW Elektromotor auskommt.

Eine ernstzunehmende Alternative sind Elektrofahrzeuge allerdings heute schon im lokalen Umfeld. So macht es z.B. das Logistik und Transportunternehmen Velocarrier vor. Alles eine Frage der Organisation: Pakete, Päckchen, Möbel, Haushaltsgeräte, Autoersatzteile, Musikinstrumente, Teppich, Sportausrüstung, Fitnessgeräte, Reisegepäck, IT-Versand, Fernseher, Einkäufe, Dokumente, Expressfrachten etc. mit einem Gewicht bis zu 250 Kilo werden inzwischen mit E-Lastenbikes transportiert. So z.B. in Tübingen, Giessen, Esslingen und Würzburg. Eine Einführung in Freiburg steht in Aussicht.

Einkaufen mit dem Lastenfahrrad oder herkömmlichen Fahrradanhänger statt dem Auto: Mindestens 50 Prozent an Autofahrten, um Lebensmittel zu transportieren, könnten eingespart werden, so eine Studie der European Cyclists Federation.

Alternative Antriebe werden kommen, aber mit Ihnen allein ist eine zukunftsfähige Mobilität nicht zu machen.

Fahrerlose (autonome) Fahrzeuge

Wenn von autonomen (fahrerlosen) Fahrzeugen die Rede ist, geht es in den Medien meist um das Auto oder den LKW. Halbautonomes Fahren mit LKWs wurde bereits auch auf deutschen Autobahnen demonstriert. Einige große Konzerne haben bereits in den USA die Genehmigung erhalten, solche fahrerlose Fahrzeuge im Straßenalltag zu testen.

Und ein Test des vollkommen fahrerlosen Fahrzeugs „wepods“ für den öffentlichen Nahverkehr läuft derzeit an der Universität Wageningen in den Niederlanden.

Dass es bereits seit vielen Jahren fahrerlose Fahrzeuge auf der Schiene gibt, z.B. in U-Bahnen, ist vielen dagegen noch unbekannt. Längst wirbt die Autoindustrie mit autonomem Fahren im motorisierten Individualverkehr. Bei der deutschen Bahn und beim Eisenbahnbundesamt scheint man auch diese Entwicklung zu verschlafen, obwohl sie auf der Schiene deutlich weniger anspruchsvoll wäre.

Bezeichnenderweise steht im knapp 300 Seiten starken Integrierten Bericht 2015 der Bahn: „Autos und Lkw werden vernetzter, sicherer und effizienter – CO₂-neutrale, vollautomatische Autos sind vor 2030 serienreif.“ (S.21). Im Zusammenhang mit der Schiene kommt das autonome Fahren im Bericht der Bahn dagegen nicht vor.

Auf den bestehenden Schienentrassen, auf denen heute konventionelle Fern- Güter- Nah- S, U- oder Straßenbahnen fahren, könnten in Zukunft zumindest teilweise fahrerlose, flexible Transportmodule für Personen wie Güter fahren.

Bis vor ein paar Jahren wurde an der Uni Paderborn die Idee von der Entwicklung Schienenverkehrssystem mit autonomen Einzelfahrzeugen dem Rail Cab gearbeitet.

Warum sollten nicht auch auf der Höllentalbahn hinter jedem Personenzug, der bald im 20-Minuten Takt fährt, schon bald selbstfahrende Gütertransportmodule denkbar sein?

Leider werden diese Konzepte derzeit nicht weiter vorangetrieben. Entwicklungsgeld für Teststrecken wäre hier gut angelegtes Geld.

Eine kritische Einführung zur Einführung autonomer Fahrzeuge auf der Schiene findet sich hier.

Fazit: Autonome Fahrzeuge werden kommen und können an der richtigen Stelle eingesetzt, ein wichtiger Beitrag für eine enkeltaugliche Mobilität sein.

Von der Straße auf die Schiene?

Auch im aktuellen Koalitionsvertrag von CDU und SPD steht die Absicht „mehr Verkehr auf die Verkehrsträger Schiene und Wasserstraße“ zu verlagern.

Viele größere Kommunen haben durch den Ausbau von S-, U- und Straßenbahnen zumindest den Personenverkehr hin auf die Schiene verschieben können.

Insgesamt ist die Situation jedoch ernüchternd. Beim Personenverkehr ist der Anstieg des motorisierten Individualverkehrs von 713,5 (81,6 Prozent) im Jahr 1991 auf 917,7 Milliarden Personenkilometer im Jahr 2013 (80,4 Prozent) ungebrochen (Umweltbundesamt).

Der Güterverkehr auf der Straße ist in Deutschland zwischen 1991 und 2013 von 245,7 (61,4 Prozent) auf 452,7 (70,2 Prozent) Milliarden Tonnenkilometer angestiegen, während der Anteil des Güterverkehrs auf der Schiene zwischen 1991 und 2013 von 82,2 (20,5 Prozent) auf 112,6 (17,5 Prozent) Milliarden Tonnenkilometer trotz absoluter Steigerung abgenommen hat. Der Trend bleibt vermutlich leider auch 2014 und 2015 ungebrochen (Umweltbundesamt).

Einen großen Anteil hat der Deutsche Bahn Konzern davon zu verantworten. In den vergangenen Jahren hat dieser viel Geld im Ausland und in schienenfremden Verkehr investiert. Das Kerngeschäft Schiene wurde vernachlässigt. Industrie- und Nebengleise wurden in Deutschland dagegen systematisch abgebaut. Einseitige Investitionen in einige wenige Hochgeschwindigkeitstrassen im Fernverkehr, die dem Flugzeug Konkurrenz machen sollten, haben zahlreiche Städte von der Bahn abgehängt. Inzwischen gelobt man im Integrierten Bericht 2015 der Bahn Besserung.

Leider ist Deutschland in Europa da keine Ausnahme. Einige sprechen sogar davon, dass Hochgeschwindigkeitszüge das europäische Bahnnetz zerstören.

So kann man nachweisen, dass die Einführung von Hochgeschwindigkeitsverbindungen von der Streichung etwas langsamerer, aber günstigerer Alternativverbindungen begleitet wird und die Fahrzeiten durch fehlende Anschlüsse ins Umland sich insgesamt verlängert haben. Hier gilt es dringend eine Trendwende einzuleiten.

Stadtumbau der kurzen Wege und der Quartiersgaragen

Einer der größten Herausforderung wird sein, Freiburg so umzubauen, dass die Wege zwischen Arbeiten, Lernen, Wohnen und Freizeit kürzer werden. Erst eine darauf ausgerichtete Verkehrsinfrastruktur wird das Mobilitätsverhalten positiv beeinflussen. Hierzu gehört die frühzeitige Versorgung von Stadtentwicklungsgebieten mit Angeboten im Umweltverbund (Rad, zu Fuß, ÖV) genauso dazu wie der Rückbau von Autostellplätzen im Bestand, die bereits optimal mit Fahrrad- und ÖPNV-Infrastruktur ausgestattet sind.

Auf frei werdenden Flächen können Ladehöfe/-stationen eingerichtet werden, die der umweltfreundlicheren Organisation von größeren Transporten, beispielsweise im Lebensmittelhandel dienen.

In der Kombination von (E-)Lastenfahrrädern und ausreichend große Stationen (Boxen) in fußläufiger Entfernung der EmpfängerIn oder AbsenderIn können Lieferungen abgegeben oder abgeholt und viele kleine motorisierte Zustellungsfahrten von Paket- oder Lieferdiensten vermieden werden. Insgesamt muss zukünftige Stadtplanung auch einen umweltfreundlicheren Gütertransport innerhalb und außerhalb der Stadt im Blick und zum Ziel haben.

Nur ein Ausbau des Radwegenetzes oder des ÖPNV genügt den Anforderungen einer enkeltauglichen Stadtentwicklung nicht mehr.

Ein Beispiel für eine gute Sammlung von notwendigen Maßnahmen bietet das Fachkonzept Mobilität der Stadt Wien.

Schon bei der Wahl des Wohnstandortes spielen Art und Umfang der Mobilitätsangebote vor Ort eine entscheidende Rolle. Zu Hause beginnen oder enden die meisten Alltagswege. Zu Hause werden jeden Tag aufs Neue Entscheidungen über die Wahl des geeigneten Verkehrsmittels getroffen. Gute Gründe, dem Thema „Wohnen + Mobilität“ und damit dem Ruhenden Verkehr besondere Aufmerksamkeit zu schenken.

Autostellplätze gehören nicht länger an den Besitz einer Wohnung gebunden, sondern an die Nutzung eines Autos. PKW-Stellplätze und damit das eigene Auto, werden bisher von denjenigen mitfinanziert, die entweder kein eigenes Auto haben wollen oder sich ein solches nicht leisten können. Der Stellplatz vor oder unter der eigenen Wohnung macht Menschen zu Autofahrern. Ca. 30 – 50% der Haushalte in städtischen Wohngebieten besitzen kein eigenes Auto, müssen jedoch entweder über Wohnungsmieten oder beim Kauf einer Wohnung die grundstückseigene Infrastruktur zum Parken von Autos (Tiefgarage oder offene Stellplätze) mitfinanzieren! So gestehen wir Autos in Tiefgaragen oft mehr Raum zu als Kinderzimmern. Mit der Bewirtschaftung von öffentlichen wie privaten Stellplätzen in Quartiersgaragen lässt sich das ändern. Jeder, der ein Auto nutzt, sollte zukünftig auch die entsprechenden Stellplatzkosten (Miete) tragen.

Umstieg auf den öffentlichen Verkehr (ÖV)

„Eine [wirtschaftlich] hochentwickelte Stadt ist keine, in der die Armen Auto fahren, sondern eine, in der die Reichen öffentliche Verkehrsmittel benutzen.“
Enrique Peñalosa, ehemaliger Bürgermeister von Bogotá

Fast jeder würde zustimmen, dass der öffentliche Verkehr noch stärker als bisher ausgebaut und gefördert werden sollte. Die Bemühungen sind durchaus beachtlich und zahlreiche Konzepte liegen hierzu vor. Es darf jedoch bezweifelt werden ob sie mit der bisherigen Strategie auch diejenigen zum Umstieg auf den ÖV, das Fahrrad oder zum Gehen bewegen, die das eigene, ohnehin schon bezahlte Auto vor der Tür oder unter dem Haus haben.

Neben Taktverkehren und einem besseren Angebot in der Fläche gehört zu den wichtigen Aufgaben die bessere Vernetzung des ÖV mit anderen Verkehrsträgern.

Stärkere Vernetzung aller Verkehrsarten

Im digitalen Bereich hat die Zukunft bereits begonnen. Es fällt auf, dass die Entwicklung einer multimodalen Mobilitätsplattform auch hier bisher weitgehend der Autoindustrie überlassen wird. Mit der Mobilitäts-App moovel kann man in Stuttgart bereits Carsharing-, Taxi-, Deutsche Bahn- und erstmals ÖPNV- Fahrten suchen, buchen und bezahlen.

Ähnliche Apps werden bereits auch für den Transport von Gütern entwickelt. Allerdings fehlt es hier noch an der Vielfalt insbesondere umweltfreundlicher Transportarten.

Die Herausforderungen liegen ohnehin bei einer besseren Vernetzung der „Hardware“, wie z.B. der einfachen Fahrradmitnahme in allen Verkehrsmitteln oder dem Einrichten von Ladehöfen und Paketstationen.

Fehlende Radmitnahmemöglichkeiten in den Stadtbahnen war auch ein Hinweis der Prüfkommission „Fahrradfreundliche Stadt“ bei der Auszeichnung der Stadt Freiburg zur Fahrradfreundlichen Stadt 2011.

Erde – wir haben ein Problem!

Für Viele geht ohne eigenes Auto gefühlt nichts. Umfragen zu Folge gehören 36 Prozent aller Personen zur Gruppe der sogenannten „MIV-Stammnutzer“, bei denen ein – zumindest gelegentlicher – Wechsel auf den Öffentlichen Verkehr „kaum zu erwarten“ ist. Wenn die Autolobby vor allem Autobesitzer fragt, sagen sogar mehr als 90 Prozent, so der neuste DAT-Report, der Befragten, es sei notwendig, ein Auto zu besitzen.

Statt sparsamen 3-Liter-Autos haben immer höher motorisierte Kraftfahrzeuge Hochkonjunktur. Während 1995 die durchschnittlich PS-Zahl der verkauften Autos bei 95 PS lag, liegt sie heute bei mehr als 140 PS. Dabei wirbt und verdient die deutsche Automobilindustrie vor allem an den Extras. Mit den Komfortausstattungen, wie der Klimaanlage, beheizbaren Sitzen oder einer höheren bequemen Sitzposition steigen auch Platzbedarf, Gewicht und Luftwiderstand der Autos.

Der Anteil gewerblich zugelassener Autos lag 2014 bei 63,8 Prozent. Dienstwagenfahrer zahlen für ihre Privatfahrten nur eine niedrige Pauschale, egal wie stark sie den Dienstwagen privat nutzen. Denn versteuern müssen sie nur pauschal ein Prozent des inländischen Bruttolistenpreises des Neuwagens als geldwerten Vorteil. Dem Staat entgehen dadurch jedes Jahr Steuereinnahmen von mehr als 4,5 Milliarden Euro.

Die Kfz-Branche gibt jedes Jahr mehr als 2,3 Milliarden Euro für Werbung aus. Zum Vergleich: der Deutsche Bahn Konzern gibt demgegenüber 169 Millionen € für Werbung aus.

Nach Angaben des Verbandes der Automobilindustrie hat diese 2014 17,6 Mrd. Euro in Forschung und Entwicklung (F&E) investieren können. Knapp 93.000 F&E-Beschäftigte, so der Verband, „tüftelt“ an automobilen Innovationen. Mit fast 800.000 Beschäftigten arbeiten in der Automobilindustrie deutlich mehr als z.B. in der Lebensmittelindustrie (ca. 560.000) oder beim Deutschen Bahn Konzern (ca. 296.000).

Folglich sind Macht und Einfluss der Autofahrer und der Autokonzerne sehr groß.

Unter diesen Bedingungen ist sowohl die Reduktion des motorisierten Individualverkehrs (MIV) als auch die Verlagerung des Verkehrs von der Straße auf die Schiene leichter gesagt als getan.

Aber eines ist klar: 50 Millionen KfZ in Deutschland sind unabhängig davon, wie sie betrieben werden langfristig nicht mit den Zielen einer enkeltauglichen Zukunft vereinbar.

Verkehrskonzerne werden ihre Strategien erst ändern und Alternativen zum heutigen Auto und LKW entwickeln, wenn sie von den Bürgern dazu gezwungen werden.

Ein Einfluss der Politik ist ohnehin kaum mehr wahrnehmbar.