Eggert Blum*, Freiburg, März 2021
Bilder wirken. Sie können lügen. Mit dieser Grafik warb „Urbanes Freiburg“ im Wahlkampf 2019 für die „großartige städtebauliche Möglichkeit“, die ein Stadttunnel eröffnen würde.
Autos sind nirgendwo zu erkennen, Radfahrer nutzen nur das Dreisam-Südufer. Der Querverkehr an den drei Straßenbrücken wird völlig ausgeblendet. Und natürlich auch die beiden Autobahn-Vollanschlüsse.
Die Architektenkammer warb für den künftigen Dreisamboulevard mit einer Zeichnung, die den Dreisamhang auf der Nordseite mit dem Café Extrablatt grandios überhöht, mit Fußgängern und einer Theaterbühne möbliert, eine gar nicht vorhandene malerische Biegung in den Fluss einbaut und den Autoverkehr auf den Brücken und dem Dreisam-Südufer ebenso ausblendet wie die beiden Autobahnknoten im Westen und Osten. Eine für 2020 geplante Ausstellung zum Thema musste wegen der Pandemie ausfallen und wurde durch eine Webseite ersetzt: https://www.akbw.de/wir-ueber-uns/kammerbezirk-freiburg/freiburg/stadt-am-fluss.html
Nur wenig realistischer ist die von der Stadt in Auftrag gegebene Grafik, die im August 2020 in der BZ zu sehen war:
Immerhin zeigt dieses Bild auf beiden Seiten der Dreisam je eine Auto-Fahrspur. Auf der bewegen sich aber nur vereinzelte PKWs. Der Verkehr auf den Straßenbrücken über den Fluss fehlt, und auch die beiden Autobahnanschlüsse sind nicht zu sehen. Eine falsche Idylle.
Grafische Darstellungen oder Videos der geplanten verkehrsberuhigten Dreisamufer, die den gesamten Straßenraum inklusive der Autobahnanschluss-Bauwerke und mit dem selbst nach optimistischen Prognosen zu erwartenden oberirdischen Restverkehr realistisch zeigen würden, haben weder Stadtverwaltung noch Regierungspräsidium bisher veröffentlicht. Weil dann von der Fata Morgana Dreisamboulevard nichts übrig bleiben würde?
Um die Machbarkeit eines Rückbaus der B 31 zu unterfüttern, wurde der Tunnelexperte Wolfgang Baltzer vom Ingenieurbüro BUNG im Januar 2021 im Mobilitätsausschuss des Freiburger Gemeinderats gefragt, ob es Beispiele gebe für eine „signifikante Entlastung des oberirdischen Straßennetzes“ durch den Bau eines Stadttunnels? Baltzer antwortete, obwohl diese stadtplanerische Frage außerhalb seiner Expertise lag, dass in „manchen Fällen sogar ein vollkommener Rückbau“ möglich war. Und verwies dazu auf die Rheinufertunnel in Köln und Düsseldorf. Aber kann man diese beiden Beispiele mit Freiburg vergleichen?
Der Kölner Rheinufertunnel wurde 1984 eingeweiht.
Auf 560 m Länge wurde die B 51 unter die Erde verlegt, und auf der Tunneldecke entstand der Rheingarten – um so der Vision einer „Stadt am Fluss“ näher zu kommen.
Zweifellos sind Rheinufertunnel und Rheingarten heute allgemein akzeptiert und aus Köln nicht mehr wegzudenken. Obwohl Planer wie Heiner Monheim damals schon kritisierten, dass die Millionen für einen halben Kilometer Rheingarten besser in eine Verkehrsberuhigung der gesamten Innenstadt investiert worden wären. Statt die B 51 zurückzubauen, wurde mit dem Tunnel noch mehr Autoverkehr in die Kölner Innenstadt und zu den Pendler-Arbeitsplätzen gezogen.
Als Beispiel für Freiburg aber taugt der Kölner Rheinufergarten aus mehreren Gründen nicht: während Radfahrer und Flaneure von der Uferpromenade den Ausblick auf einen großen Strom genießen, würden sie vom Freiburger Dreisam-Nordufer nur über ein Flüsschen auf den dichten Verkehrsstrom auf der Südseite blicken. Und, noch wichtiger: Der Kölner Rheinufergarten grenzt nur auf einer Seite an ein Stadtviertel, das problemlos von der Innenstadt her verkehrlich erschlossen werden kann. Die Dreisam fließt aber mitten durch die Stadt, und die verkehrsberuhigten Ufer müssen weiterhin den innerstädtischen Verkehr über die Dreisambrücken verteilen.
Das Gleiche gilt für den Düsseldorfer Rheinufertunnel. Er wurde 1993 in Betrieb genommen und erlaubte es, auf fast zwei Kilometer Länge die Düsseldorfer Rheinpromenade, wie sie vor der Auto-Pandemie bestand, wiederherzustellen.
Auch in Düsseldorf brauchen Wohnungen, Geschäfte und Gaststätten der angrenzenden Altstadt nicht vom Rheinufer her angefahren zu werden. Zwei Kilometer kompletter Rückbau am Flussufer, ohne dort einmündende Erschließungsstraßen, während anderswo der Verkehr weiter tobt, waren also machbar – anders als in Freiburg.
Und: seit auch in Köln und Düsseldorf die Notwendigkeit der Verkehrswende zum beherrschenden Thema wird, werden die Rheinufertunnel eher als Hindernisse statt als Errungenschaften gesehen. Seit drei Jahren fordern die Verkehrswende-Initiativen in Köln, dass dem Fahrradverkehr mindestens eine, besser noch aber zwei der Tunnelfahrspuren zur Verfügung gestellt wird. Wann fordern sie den Rückbau der Tunnel – wie in Utrecht?
* Eggert Blum, Jg. 1950, Rundfunkjournalist (SWR 2) i.R., Radfahrer, Kleingärtner, Bremer, der seit 1998 vor allem in Freiburg, aber auch in Mailand lebt, daher die Freiburger Lebensqualität zu schätzen weiss und nicht möchte, dass sie durch stures Festhalten an einer überholten Verkehrsplanung beschädigt wird.