Fakten:
- Zu den Argumenten für einen Stadttunnel in Freiburg gehört die Vision einer zurückgebauten, verkehrsberuhigten grünen Ost-West-Achse entlang der Dreisam, mit einem „Dreisam-Boulevard“, der Fussgängern und Radfahrern vorbehalten ist Mehrere Gemeinderatsfraktionen, darunter die größte, die Grünen, haben ihre Zustimmung zum Tunnelprojekt von der Realisierung dieser Pläne abhängig gemacht.
- s. dazu unten: Eggert-Blum_Dreisamboulevard-Eine Fatamorgana?
- Die Stadtplanung geht davon aus, dass auch nach der Inbetriebnahme des Autobahntunnels weiterhin 15.000 – 20.000 Fahrzeugen pro Tag oberirdisch auf der jetzigen B31-Trasse verbleiben – darunter 1.500 – 2.000 LKWs. Diese Fahrzeugmenge leitet sich aus den innerstädtischen Verkehrsbeziehungen ab. Laut Stadtplanungsamt entspricht sie der heutigen Belastung der Basler Straße West. Die Basler Strasse West benötigt allerdings zwei Fahrstreifen in jeder Richtung und zusätzliche Abbiegespuren, um diese Verkehrsmenge aufnehmen zu können.
- Der Tunnel ist als Bundesautobahn in der Baulast des Bundes, ebenso wie die oberirdische B31. Solange die B 31 nicht entwidmet ist, kann der Bund bei der Oberflächengestaltung mitreden. Er vertritt dabei die Interessen des Strassen-Fernverkehrs, er ist verpflichtet, für ausreichende und sichere Umleitungsmöglichkeiten nach Unfällen und während Tunnelsperrungen zu sorgen, er ist aber nicht verpflichtet, einer Entwidmung der B 31 zuzustimmen.
Probleme:
- Die Strassenabschnitte der heutigen B 31 zwischen den beiden Autobahnvollanschlüssen „Ganterknoten“ im Osten und „Faulerbad“ im Westen werden auch nach Inbetriebnahme des Tunnels für die Anbindung der Anwohner und die Verteilung des innerstädtischen Verkehr benötigt. Dieser wird durch zahlreiche Zu- und Abfahrten über die drei kreuzenden Nord-Süd-Brücken geprägt sein. So werden etwa für die Leo-Wohleb-Brücke 10.000 Fahrzeuge prognostiziert, und am Autobahnvollanschluss Faulerbad/Angellschule sollen 8.000 Fahrzeuge ankommen. Seit Jahren wird eine Analyse dieser Verkehrsströme auf Grundlage einer aktuellen Verkehrszählung angemahnt. Sobald dieses Gutachten vorliegt, erwarten wir, dass es ohne Verzug veröffentlicht wird.
- Sollte nach der Inbetriebnahme des Tunnels die Nordseite der Dreisam verkehrsberuhigt und der verbleibende Verkehr in beide Richtungen im Süden geführt werden, gäbe es für die Südseite nahezu keine Verbesserung im Vergleich zu heute. Sollte der Verkehr aber richtungsgetrennt verlaufen, wären Norden und Süden der Dreisam weiterhin belastet. Unklar ist also, welche Oberflächen dann überhaupt für verkehrsberuhigte grüne Zonen zur Verfügung stünden. Wie sich ein verkehrsberuhigter „Dreisamboulevard“ mit einer Verkehrsmenge, die derjenigen auf der Basler Strasse West vergleichbar ist, verträgt, hat die Stadtverwaltung bisher nicht öffentlich dargelegt. Ihr für letztes Jahr versprochenes Konzept dazu wurde auf 2022 verschoben.
- Ebenso ist für die Öffentlichkeit immer noch unklar, wie die Pläne für Tunnel-Sperrungen nach Unfällen oder während der regelmäßigen Wartungen aussehen. Bei diesen Verkehrslagen muss eine Blechlawine von über 40.000 Fahrzeugen/Tag, darunter mehrere Tausend Schwertransporter, oberirdisch umgeleitet werden. Bei einem Unfall im Tunnel muss die Strassenfläche für diesen Umleitungsverkehr sofort verfügbar sein – wie sich das mit einem „Dreisamboulevard“ auf der B 31 – Trasse vereinbaren lässt, ohne den Verkehrsinfarkt für die ganze Stadt zu riskieren, haben die Planer bisher ebenfalls nicht dargelegt.
- Möglicherweise könnte eine solche Umleitung im Störungsfall innerhalb des Autobahntunnels eingerichtet werden. Dazu müsste allerdings der Verkehr an mehreren Stellen auf die nicht betroffene Tunnelröhre übergeleitet werden können, die dann im Gegenverkehr betrieben werden müsste. Das aber erfordert laut Gutachter Prof. Wolfgang Baltzer vom Ingenieurbüro BUNG nicht nur weitere Rettungs-Treppenhäuser sowie weitere Abluftkanäle und Notfusswege, sondern auch oberirdisch eine weitere Strassenbrücke über die Dreisam vor dem Westportal. Unklar ist, ob der Bund diese hohen Zusatzkosten übernehmen würde. [1]
- In der Vergangenheit gab es immer wieder Enttäuschungen, wenn Gemeinden nach dem Bau von Umgehungsstraßen die innerörtlichen Durchgangsstraßen zurück bauen wollten. Oft genug verwehrte dann der Bundesverkehrsminister die Entwidmung der Ortsdurchfahrten mit der Begründung, daß diese noch als Umleitungsstrecken und für Notfälle benötigt würden. Ob die Wünsche der Freiburger für die Oberflächen-Planung berücksichtigt würden, ist also zweifelhaft.
Standpunkte:
- Wir befürchten, dass die Vision einer zu einem „Dreisam-Boulevard“ zurückgebauten B 31 angesichts der zu erwartenden Verkehrsbelastung – trotz Tunnel – eine Illusion bleiben wird. Damit entfällt eines der wichtigsten in Freiburg genannten Argumente für den Autobahntunnel.
- Auf Grundlage einer Verkehrszählung muss endlich Klarheit darüber geschaffen werden, wieviel Verkehr nach der Fertigstellung des Tunnels voraussichtlich oberirdisch verbleiben wird. Und wie dieser, ob mit oder ohne Tunnel, durch eine „innerstädtische Verkehrswende“ reduziert werden kann.
- Schon jetzt – und erst recht während einer 7 bis 10jährigen Bauzeit des Autobahn-Tunnels – werden viele Wohnviertel durch zunehmenden Schleichverkehr erheblich belastet. Dieser muss so schnell wie möglich verhindert werden. Es geht nicht an, damit bis auf die Zeit nach dem Tunnel zu warten.
[1] Vgl. zu diesem ganzen Komplex: Prof. Dr.-Ing. Wolfang Baltzer, Beantwortung der Fragen vom 28.01.21 im Bau- und Mobilitätsausschuß der Stadt Freiburg, und die Folien zu Prof. Baltzers Vortrag.