Michael Dörfler, Freiburg, März 2021
Pläne, das Straßennetz in Ost-West-Richtung entlang des Hochrheins zwischen Lörrach/Basel und dem Bodensee auszubauen, gibt es seit den späten 1960er Jahren. Durch das sich ständig erhöhende Verkehrsaufkommen erhielt dieses Vorhaben mit dem sich bald darauf abzeichnenden Fall der Mauer und der Öffnung des Eisernen Vorhangs Ende der 1980er Jahre einen zusätzlichen Schub. Eine Verbindung Paris – Budapest sollte im Süden Deutschlands geschaffen werden – und damit eine Alternative zu der in Baden-Württemberg einzigen existierenden Ost-West-Achse zwischen München und Karlsruhe (A8). Ein Teil dieses Planes sollte die A98 werden, die ursprünglich zwischen dem Dreiländereck die A5 mit einer noch zu bauenden „Bodenseeautobahn“ und der von Bregenz nach München führenden A96 verbinden sollte. Diese Pläne fanden aber schnell ein jähes Ende. Bis heute gibt es keine durchgehende Verbindung entlang des Bodensees, die die B31 ersetzt. Es ist auch keine in Sicht.
Was blieb, war die Idee, vom Knoten Weil/Lörrach eine Autobahn bis an die deutsche Grenze zum Kanton Schaffhausen zu bauen und von dort einen Anschluss ans eidgenössische Autobahnnetz (in Richtung Zürich beziehungsweise Singen und damit an die A81) zu realisieren.
Relativ schnell und weitestgehend problemlos wurde bis ins Jahr 2002 von der neuen A98 eine Schleife von der Anschlussstelle Märkt an der A5 bis zum Grenzübergang bei Kaiseraugst und somit zur Schweizer Autobahn A3 realisiert. Dies war auch im Interesse der Schweiz, die damit den Verkehrsknoten Basel deutlich entlasten konnte. Unmittelbar vor dem Herrschaftsbucktunnel, der vom Dinkelberg kommend in Richtung Schweiz führt, biegt die A98 in Richtung Rheinfelden-Karsau ab. Dieser 2,5 Kilometer lange Abschnitt soll nach endlosen Planungen und langer Bauzeit im Sommer 2021 eröffnet werden. Was danach kommt, ist noch völlig offen. Zwar gibt es einen 9 Kilometer langen Abschnitt zwischen Murg und Hauenstein, der 2012 freigegeben wurde, aber nur mit einer Fahrbahn ausgestattet ist und im sogenannten 2+1-System befahren wird. Platz für einen weiteren Ausbau wurde indes vorgehalten. Dazu kommt weiter östlich die Umfahrung von Tiengen (Bürgerwaldtunnel), die in zwei Etappen schon 1991 beziehungsweise 1997 eröffnet werden konnte. 2010 wurde die Straße in Richtung Lauchringen (ebenfalls im 2+1-System) freigegeben. Die Voraussetzungen für einen vierspurigen Ausbau fehlen hier jedoch. In Lauchringen endet die geplante A98 somit quasi auf der „grünen Wiese“. Die Straße soll von hier als „neue B34“ in Richtung Geißlingen weitergeführt werden.
Markant und immer noch im Planungsstadium befinden sich die dazwischenliegenden Abschnitte Rheinfelden/Karsau – Schwörstadt, Schwörstadt – Murg sowie Hauenstein – Waldshut-Tiengen.
Für den Bereich Rheinfelden/Karsau – Schwörstadt ist das Planfeststellungsverfahren eröffnet worden. Ein Baubeginn ist aber nicht abzusehen. Planerisch besteht nämlich (noch) keine Übereinkunft mit dem darauffolgenden Abschnitt.
Für die Etappe von Schwörstadt über Bad Säckingen bis Murg (sehr sensibel und kommunalpolitisch umstritten) wurde ein öffentliches Beteiligungsverfahren anberaumt. Von einer Einigung ist man gleichwohl weit entfernt. Die Stadt Wehr stemmt sich mit allen Mitteln gegen eine Brücke, die das Wehratal überspannen soll. Wehr pocht dagegen auf eine Linienführung im Tal. Noch problematischer ist die Angelegenheit in Bad Säckingen. Eine Linienführung in (der eigentlich präferierten) Hanglage würde die Quellen der Stadt tangieren, der Bürgermeister sieht die Bezeichnung „Bad“ gefährdet. In Tallage geht aber nichts, da zwischen dem Rhein und der Bahnlinie kein Platz mehr für eine weitere Straße ist. Eine schnelle Einigung ist nicht in Sicht. Die Gutachter haben Hochkonjunktur.
Die Planungen für den Bereich Hauenstein – Waldshut-Tiengen ruhen derzeit völlig. Die ursprünglich vorgesehene Bergtrasse wurde umweltpolitisch als kritisch eingestuft und schließlich fallengelassen. Auch stehen FFH-Gebiete und weitere zahlreiche Schutzgebiete den Planungen entgegen. Mittlerweile wird über eine Untertunnelung der Stadt Waldshut nachgedacht.
Politisch wird die A98 weiterhin von allen großen Parteien gefordert. Auch die IHK Hochrhein-Bodensee möchte die Straße aus Wettbewerbsgründen unbedingt. Lediglich die Grünen sehen in dem Projekt einen Anachronismus. Der BUND zählt die A98 zu den „zwölf unsinnigsten Straßenprojekten Deutschlands“.
Unbestritten ist, dass auch weite Teile der Bevölkerung nichts gegen die A98 einzuwenden hätten. Der Grund liegt auf der Hand: Viele Bewohner der Städte und Gemeinden an der stark befahrenen B34 fühlen sich durch den Verkehr extrem beeinträchtigt und fordern seit geraumer Zeit Maßnahmen – insbesondere gegen den stark wachsenden Schwerlastverkehr.
Schnelle Lösungen sind am Hochrhein nicht zu erwarten. Die A98 taugt aus diesem Grund auch kaum als denkbare Alternative zum Ausbau der weiter nördlich gelegenen Verbindung zwischen Breisach/Freiburg und Donaueschingen (B31). Sehr zurückhaltend blieben in der Vergangenheit auch politische Bemühungen, mit der benachbarten Schweiz nach Lösungen zur Befriedung der Verkehrssituation zu suchen. So bleibt der Umstand, dass sich auf beiden Seiten des Rheins (also in Deutschland und der Schweiz) jeweils Schienen und Straßen im engen Rheintal bündeln.
Ablehnend zeigt sich die Eidgenossenschaft bislang auch gegenüber Plänen, die A98 im Kanton Schaffhausen abzunehmen. Faktisch würden nur wenige Kilometer fehlen, um via Klettgau beziehungsweise Jestetten einen Anschluss an die Schweizer A4 und somit bei der Grenze in Thayngen die Verbindung zur A81 in Richtung Stuttgart beziehungsweise Stockach herzustellen zu können. Es gilt in der Schweiz offenbar die Priorität, Schaffhausen zusätzlichen (Transit-)Verkehr zu ersparen.
Michael Dörfler